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Wir regen uns über sie auf, über die Gaffer die langsam an Unfällen vorbeifahren, um nur ja kein blutiges Detail zu verpassen. Über all die Schaulustigen, die extra zu Katastrophenorten reisen, über Menschen die das Leid anderer zur eigenen Unterhaltung nutzen.
Und jetzt erklär mir mal bitte jemand, wie sich dieses Verhalten von dem der Menschen unterscheidet, die sich nach der Katastrophe in Japan eine Nachrichtensendung nach der anderen reinziehen, die sich die Erdbeben- und Tsunamivideos auf YouTube anschauen, um hautnah zu erleben wie Menschen vor dem Tsunami fliehen und es doch nicht schaffen (habe ich mir erzählen lassen und nicht selber gesehen) und die eine Fotoklickstrecke nach der anderen aufrufen. Ganz pervers wird es dann, wenn sie auch noch zulassen, dass sich ihre Kinder mit diesen Schreckensbildern auseinandersetzen, die Erwachsene ja nicht verarbeiten können.
WARUM? Wem ist dadurch geholfen, was ändert es? Warum muss man sich das anschauen? Reicht das geschriebene Wort nicht aus? Muss man sich in der Katastrophe suhlen und durch 1.000fache RT in Sozialen Netzwerken sich gegenseitig mit Schreckensmeldungen übertrumpfen? Man gewinnt den Eindruck die Kernschmelze kann gar nicht schnell genug herbei getwittert werden. Selten jemand, der durch einen Link zu einer gemäßigteren Seite zur Aufklärung beiträgt, kaum jemand der sein Mitleid mit den Opfern zum Ausdruck bringt. Viel wichtiger ist es doch die deutsche Atompolitik (der ich hiermit explizit nicht verteidigen oder von Fehlern freisprechen will) zu geißeln und sich zu gebärden, als wären wir die Hauptleidtragenden und nicht die Menschen die heimatlos geworden sind, die Freunde und Verwandte haben sterben sehen, deren Existenz vernichtet ist. Wird zu Spenden aufgerufen? Fehlanzeige. Man könnte ja die nächste Katastrophe, in diesem von einer Apokalypse heimgesuchten Land, verpassen. Andere Krisengebiete werden übrigens auch fallen gelassen wie heiße Kartoffeln. Libyen, ist ja irgendwie nicht mehr so trendy im Moment. Da sterben Menschen, werden unterdrückt und entrechtet. Ist das heute weniger schlimm als vor 1 Woche, als es noch nichts Schlimmeres gab? Manchmal kommt es mir so vor als sei das Ganze nur l´art pour l´art. Hauptsache man kann sich echauffieren, Verantwortliche finden, Schuldige an den Pranger stellen. Hauptsache nicht mit sich selbst beschäftigen und das eigene Verhalten mal kritisch hinterfragen.
Sie hat wieder zugeschlagen. Die Ignoranz bei meiner Lieblings-Regionalzeitung (ok, ok, es gibt im Saarland nur eine) der Saarbrücker Zeitung. Wieder einmal geht es um Twitter. Und wieder einmal wird gnadenlos unter Beweis gestellt, dass man dieses Medium noch nicht einmal im Ansatz verstanden hat. Langsam kann ich mich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass man es bewusst nicht verstehen will.
Es ist ja auch viel schöner, die Vorurteile seiner Leser zu bedienen, als sich wirklich sachlich damit auseinanderzusetzen und sich zu bemühen, zu verstehen, was der Sinn hinter dem Ganzen ist.
Den Artikel über den ich mich diesmal aufrege, könnt ihr hier nachlesen
Im Kästchen über dem Artikel heißt es: Die SZ wählte Beispiele zufällig aus. Seit wann ist es Qualitätsjournalismus, wenn man Texte aus dem Zusammenhang reißt? Wird üblicherweise ein Artikel über einen Politiker oder mehrere Politiker geschrieben, werden ja auch nicht nur ausschließlich die Sätze zitiert, die er oder sie am Rande eines Parteitages beim Bier in geselliger Runde von sich gibt/geben. Aber genau darum geht es hier doch auch. Twitter bildet bei vielen Menschen deren komplettes Kommunikationsspektrum ab. Da gibt es die wichtigen Sachen, und die heiteren, die traurigen, die nachdenklichen und die einfach nur mal schnell dahin gesagten.
Erinnert ihr euch noch an den Twitchhiker? Der Mann der via Twitter und ohne Geld für Transport und Übernachtung bis ans andere Ende der Welt kommen wollte? Und der eine Nacht Station im Saarland gemacht hat? Anfang August erschien das Buch über die abenteuerliche Reise eines Mannes, der nur durch Followerpower von England nach Neuseeland reiste: Twitchhiker: How one man travelled the world by Twitter
Natürlich war ich wahnsinnig gespannt, wie die Beschreibung seiner Etappe bei uns ausfallen würde und konnte es kaum erwarten das Buch in den Händen zu halten. Teil einer Geschichte zu sein die in einem Internet-Blog veröffentlicht wird ist eine Sache, aber so richtig und echt in einem Buch vorzukommen, ist -zumindest für mich- doch noch ein gutes Stück aufregender. Und so habe ich natürlich die ersten Seiten einfach überblätttert und mich direkt auf den Teil gestürzt, in dem Paul unseren ersten Austausch via Twitter, die Reisevorbereitungen und seinen Aufenthalt im Saarland beschreibt. Und ich wurde nicht enttäuscht. Paul war nicht nur ein sehr liebenswerter Gast, er ist auch ein sehr wohlwollender Autor. Er lobt Unterkunft und Verpflegung, macht Komplimente über mein stark verbesserungswürdiges Englisch und lässt an einer Stelle den typischen britischen Humor durchblitzen. Eine Unterhaltung auf deutsch zwischen mir und dem Kameramann, der den Besuch des Twitchhikers für den saarländischen Rundfunk filmt, wird von ihm kurzerhand in die Unterhaltung von 2 Meuchelmördern umgedeutet, die sich darüber austauschen, wie sie ihn (also den Twitchhiker) am besten um die Ecke bringen könnten.
Aber lest selbst:
The journey slipped into darkness before the train crossed the German border and reached Saarbrücken. Andrea was waiting for me on the platform – blue-eyed with cropped blonde hair, wrapped up in waterproofs and apprehensive, obviously nervous about my arrival. She was accompanied by a German television crew who filmed our meeting for the local news, and who planned to follow us back to Andrea’s home for further interviews. Before taking up twitchhiking I hadn’t thought much about the type of person I might forge these physical connections with. I certainly didn’t picture it to be the likes of Andrea Juchem; a middle-aged, middleclass lady with two teenage children, running a successful family business founded by her grandfather. …
Ich mag Twitter und ich schätze die Menschen denen ich folge. Ich folge ihnen, weil sie Interessantes posten, weil sie witzig, schlagfertig und kreativ sind. Manches mal geht mir das, was sie twittern auf die Nerven, wenn Fussball angesagt ist z.B., oder irgendeine Casting Show besprochen wird. Aber auch das ist ja normal. Auch im wahren Leben stimme ich mit meinen Freunden, in dem was uns interessiert, nicht 100% überein. So weit, so gut. Und wie bei allem gilt: es gibt einen Ausschaltknopf oder im wahren Leben: man kann gehen.
Aber manchmal muss man sich Luft machen bevor man geht, muss nicht alles tolerieren, sondern Stellung beziehen. Und so ein Fall war heute Abend. Der größte Teil meiner Timeline war durch das grauenhafte Unglück auf der Loveparade in Duisburg mehr als betroffen. Manchmal wünschte ich mir, die Menschen würden dann sprachlos werden, aber jeder hat eine andere Art, mit so einem Schrecken umzugehen.
Statt einfach nur die Trauer und das Entsetzen miteinander zu teilen, war sich ein großer Teil der Timeline in einigen Punkten sehr schnell einig: Die Gefahr war vorher schon bekannt, es war eine Katastrophe mit Ansage und einige verstiegen sich zu der Aussage: wer da hinging war selber Schuld, und da bräuchte man ja nicht unbedingt Mitleid zu haben.
Ungeprüft wird da angeklagt und Schuldige benannt. Ich finde das schlicht ungeheuerlich. Das muss doch ein Reflex aus der Steinzeit sein, der bei den Meisten (ich bin auch nicht immer frei davon, versuche mich aber zumindest zurückzuhalten Vorverurteilungen in die Welt hinauszuposaunen) diesen Drang auslöst, einen Schuldigen zu benennen und am besten „virtuell“ am nächsten Baum aufzuknöpfen.
Es sind furchtbare Fehler gemacht worden, Fehler die Menschenleben gekostet haben, die Gesundheit von vielen ruiniert und sicherlich Traumata bei Ungezählten verursacht haben. Aber können wir, die wir zuhause gemütlich vor dem PC (oder Mac) sitzen, wirklich beurteilen, was passiert ist und vor allem wer Schuld trägt? Ich glaube nicht.
Und noch ganz kurz zu dem Punkt, die Menschen die umgekommen sind hätten ja selbst Schuld gehabt. Da ist ja ein ganz interessanter Ansatz. All die, die dieser Meinung sind, verlassen sicher nie das Haus, benutzen nie Auto, Bahn oder Flugzeug oder treiben Sport. Welche masslose Überheblichkeit gehört dazu, so etwas zu schreiben.
Die Seite evangelisch.de ist mal wieder kreativ und hat einen einen Twitteraccount mit dem Namen @Ostergaffer und eine passende Facebook Fanpage ins Leben gerufen. Dort sind (seit dem 15. März schon) fiktive Personen aktiv, die aus dem Jahr der Kreuzigung twittern. Schade, dass ich das jetzt erst entdeckt habe, aber immer noch rechtzeitig genug. Durch diese Art der Sichtweise, wird das Geschehen viel greifbarer und realer. Wenn ein Twitter namens Elieser sagt: „Grüble über Jesus-Satz: „#Sabbat ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.“ Hat er #Tora nicht verstanden – oder ich?“ oder Jojakim: „Abends war Simon da. Und Judas. Netter Kerl, voller Eifer. Deal mit Hohenpriestern eingefädelt um vom eigentl. Umsturz abzulenken“.
Mal sehen, was sie heute am Gründonnerstag erleben werden. Ich habe als Motiv für den heutigen Tag das Lied „Bleibet hier“ von Taize ausgewählt.
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